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Das letzte Bild

Im Jahr 2013 gab es eine große Bilderausstellung bekannter, toter Maler (Kunsthalle Schirn, Frankfurt) mit dem Titel „Letzte Bilder“. Ich habe diese Ausstellung nicht besucht. Trotzdem war ich vom Titel sehr beeindruckt und habe mir vorgestellt, welche Bildmotive diese Künstler zuletzt gewählt haben und welche Botschaften sie damit transportieren wollten. Die meisten wussten um ihren bevorstehenden Tod und haben bestimmt dementsprechend gemalt. Andere ahnten nichts davon und haben bestimmt dementsprechend gemalt.

Manche Menschen spüren und wissen, das ist das letzte Mal, dass sie etwas Bestimmtes tun. Ob das nun ein letzter Brief ist, den man schreibt, ein letztes Mal grüßt, ein letztes Mal feiert, etwas anpflanzt, den letzten Arbeitstag besteht, die letzte Reise reist… oder eben ein letztes Bild malt. Manche wissen das eben. Dementsprechend sind diese Tätigkeiten mit sentimentalen, auch traurigen Gedanken aufgeladen. Diese Tätigkeiten sind in diesem Augenblick, in denen sie geschehen, besonders und außerordentlich.

Wenn man aber nicht weiß, dass das das letzte Mal ist…, dann sind das alles Alltagsgeschehnisse, die eben am Ende stehen und erst im Nachhinein zu besonderen, außerordentlichen Momenten werden.

Eigentlich wird letztlich alles, was man so tut in dem Augenblick der Tätigkeit zum letzten Mal getan. Vielleicht tut man es wieder… Wer weiß? Und trotzdem tut man es dann anders, denn die Zeit verändert bestimmt immer das Tun. So ist es - genau so getan – immer das letzte Mal.

Das erleichtert die Sache in mancher Hinsicht ungemein. Ich müsste mir keine Gedanken mehr machen und könnte jetzt alle Bilder, die ich zukünftig anfertige, immer „Das letzte Bild“ nennen. Und könnte es unbedingt emotional, sentimental aufladen. Ich könnte es eben aber auch bleiben lassen. Niemand könnte dann mehr Rückschlüsse ziehen usw.. Und beim allerletzten Bild würde irgendwann irgendwer sagen: „Da hat er ausnahmsweise mal recht gehabt.“

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